Höhenflug auf dem Schweizer Arbeitsmarkt unterbrochen:
Bau- und Ausbauberufe stehen im Fokus der Nachfrage

 

 

Zürich, 04.07.2023 – Nachdem der Adecco Group Swiss Job Market Index Ende 2022 einen historischen Höchststand erreicht hatte, registriert er in diesem Quartal zum zweiten Mal in Folge eine Seitwärtsbewegung. Besonders gefragt sind aktuell die Bau- und Ausbauberufe, dicht gefolgt von den Fachkräften Montage sowie Hilfskräften und den Fachkräften von Handwerk und Industrie. Die Informatikberufe erleben einen unerwarteten Nachfragerückgang. Dies zeigt die wissenschaftlich fundierte Erhebung des Adecco Group Swiss Job Market Index des Stellenmarkt-Monitors der Universität Zürich.

Nach einem starken Aufwärtstrend seit dem ersten Quartal 2021 scheint sich der Schweizer Stellenmarkt weiterhin auf einem hohen Niveau zu stabilisieren. Im zweiten Quartal 2023 verzeichnet der Job Index zum zweiten Mal in Folge kein Wachstum (0%). Im Vergleich zum zweiten Quartal 2022 haben die Vakanzen um 5% zugenommen.

 

 

 

«Obwohl die Expertengruppe des Staatssekretariats für Wirtschaft für das Jahr 2023 eine unterdurchschnittliche Entwicklung der Schweizer Wirtschaft prognostiziert, beklagen viele Unternehmen weiterhin einen Personalmangel. Dies scheint die Nachfrage nach Fachkräften trotz der konjunkturellen Eintrübung zu stützen und hat bisher eine negative Entwicklung auf dem Schweizer Arbeitsmarkt verhindert.»

 

Marcel Keller, Country President Adecco Gruppe Schweiz

 

Sprachregionen im Vergleich: Stellenmarkt in der lateinischen und Deutschschweiz bleibt robust

Im Vergleich zum Vorjahresquartal verzeichnet besonders die lateinische Schweiz, aber auch die Deutschschweiz eine positive Stellenentwicklung. Die lateinische Schweiz (+11%) zeigt dabei eine dynamischere Entwicklung als die Deutschschweiz (+4%).

 

Die unterschiedliche Wachstumsrate lässt sich auf die unterschiedlichen Trends zurückführen, die sich 2022 in den beiden Sprachregionen abgezeichnet hatten. Während die Deutschschweiz von einem stetigen Wachstum profitierte und zum Ende des Jahres 2022 einen Rekordwert erreichte, verzeichnete die lateinische Schweiz eine weitaus volatilere Stellenentwicklung. Nachdem sie zu Beginn des Jahres 2022 einen Höchststand erreicht hatte, musste der Stellenmarkt der lateinischen Schweiz Mitte des Jahres einen Rückgang hinnehmen, bevor er sich zum Jahresende wieder erholte.

 

Obwohl sich das Stellenwachstum in beiden Sprachregionen im Jahr 2023 verlangsamt, werden weiterhin vergleichsweise hohe Indexwerte erreicht, auch wenn sie die Spitzenwerte des Vorjahres nicht übertreffen.

Berufsgruppen: Erste Zeichen einer schwächeren Dynamik werden sichtbar

Hinweis: Nähere Informationen zu der Zusammensetzung der Berufsgruppen finden Sie hier.

Die Analyse zur Stellenentwicklung in den 14 Berufsgruppen zeichnet ein gemischtes Bild. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 weist noch immer die Mehrheit der Berufsgruppen (8 von 14) im ersten Halbjahr 2023 eine überdurchschnittlich positive Entwicklung im Stellenangebot auf. Dagegen zeigen die Fachkräfte Büro (+2%) (z.B. Reiseberater:innen, Sachbearbeiter:innen, HR Assistent:innen) und Hochschulberufe Naturwissenschaften (0%) (z.B. Elektroingenieur:innen, Statistiker:innen, Architekt:innen) nur eine schwach positive und unterdurchschnittliche Stellenentwicklung, wodurch sie auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorjahr stagnieren. Auffällig sind die negativen Stellenentwicklungen in den folgenden vier Berufsgruppen: die Hochschulberufe Wirtschaft (-7%) (z.B. Marketingspezialist:innen, Erbschaftsberater:innen, Volkswirtschafter:innen), die Fachkräfte in KV, Verwaltung und Handel (-7%) (z.B. Immobilienbewirtschafter:innen, Versicherungsberater:innen, Verwaltungsassistent:innen), die Führungskräfte (-10%) (z.B. Key Account Managers, Verkaufsleiter:innen, Geschäftsführer:innen) sowie die Hochschulberufe Informatik (-20%) (z.B. IT Systemadministrator:innen, UX/UI Designer:innen, Softwareingenieur:innen). Insgesamt offenbart sich im Vergleich zu vorangegangenen Halbjahren eine nachlassende Dynamik in der Stellenentwicklung über eine beträchtliche Anzahl von Berufsgruppen hinweg. Die Zahlen deuten auf eine breit abgestützte Verlangsamung des Stellenwachstums hin.

 

Fachkräfte Bau und Ausbau (+20%): Markanter Anstieg der Nachfrage

Die Fachkräfte Bau und Ausbau (z.B. Trockenbauer:innen, Maler:innen oder Bodenleger:innen) zeigen eine bemerkenswerte Stellenentwicklung. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 verzeichnet diese Berufsgruppe aktuell 20% mehr offene Stellen. Obwohl sich die Auftragslage kürzlich auf einem hohen Niveau leicht abgeschwächt hat, wird die Situation sowohl im Ausbaugewerbe als auch im Hochbaugewerbe weiterhin als sehr gut bewertet. Darüber hinaus ist die Kapazitätsauslastung im Baugewerbe nach wie vor sehr hoch. Zudem beklagt sich auch hier eine Mehrheit der Unternehmen in der Branche über einen Mangel an geeignetem Personal, was die anhaltende Nachfrage nach Fachkräften in diesem Bereich unterstreicht.

 

 

Fachkräfte Montage und Hilfskräfte (+15%): Zuwachs bei Stelleninseraten verzeichnet

Die Fachkräfte Montage und Hilfskräfte (z.B. Baumaschinenführer:innen, Lagermitarbeiter:innen, Küchenhilfen) weisen eine positive Stellenentwicklung zwischen dem ersten Halbjahr 2022 und dem ersten Halbjahr 2023 auf. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 wurden 15% mehr Stelleninserate veröffentlicht. Wachstumsimpulse stammen dabei insbesondere von den beiden Untergruppen Hilfsarbeitskräfte sowie Fahrzeugführer:innen und Bediener:innen mobiler Anlagen. Die Berufe der Fachkräfte Montage und Hilfskräfte sind in verschiedenen Branchen angesiedelt, darunter das Baugewerbe, das Gastgewerbe, die Transportbranche und das verarbeitende Gewerbe. Infolgedessen profitiert diese Berufsgruppe von positiven Entwicklungen in diesen Wirtschaftszweigen.

 

 

Fachkräfte Handwerk und Industrie (+14%): Aufschwung trotz potenzieller Risiken

Die Fachkräfte Handwerk und Industrie (z.B. Polymechaniker:innen, CNC-Fräser:innen, Uhrmacher:innen) weisen seit dem ersten Halbjahr 2021 einen steigenden Trend in der Stellenentwicklung auf. Im aktuellen Halbjahr verzeichnen die Fachkräfte Handwerk und Industrie einen Anstieg von 14% bei den ausgeschriebenen Stellen, im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr. Dieser kräftige Aufwärtstrend ist insbesondere auf das dynamische erste Quartal 2023 zurückzuführen, welches im Einklang mit einer kräftigen Erholung der Geschäftslage im verarbeitenden Gewerbe stand. Trotz dieser positiven Entwicklung weisen die jüngsten Ergebnisse der KOF-Konjunkturumfrage jedoch auf eine mögliche Abkühlung im verarbeitenden Gewerbe hin. Diese Umfrageergebnisse lassen befürchten, dass in der nahen bis mittleren Zukunft die Nachfrage nach Fachkräften aus dieser Berufsgruppe nachlassen könnte.

 

 

Hochschulberufe Informatik (-20%): Unerwartete Kehrtwende

Eine gegenteilige Entwicklung der Stellenausschreibungen ist im Bereich der Hochschulberufe für Informatik zu beobachten. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 verzeichnet diese Berufsgruppe im ersten Halbjahr 2023 einen Rückgang an ausgeschriebenen Stelleninseraten von 20%. Insbesondere die Untergruppe der Entwickler:innen und Analytiker:innen von Software und Anwendungen erleidet einen Nachfrageeinbruch. Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, als die Hochschulberufe Informatik im ersten Halbjahr 2022 noch einen historisch hohen Indexwert erreicht hatten. Ab dem zweiten Halbjahr 2022 setzte ein negativer Trend in der Stellenentwicklung ein, der sich bis jetzt fortsetzt.

 

 

«Die gegenwärtige Abnahme an offenen Stellen für Hochschulberufe Informatik zeichnet das Bild einer weitreichenden Transformation in der IT-Branche. Die jüngste Vergangenheit war geprägt von Einstellungsstopps und Personalabbau bei IT-Unternehmen. Diese Faktoren üben zweifellos auch einen Einfluss auf die Anzahl der verfügbaren Stellen für IT-Fachleute in der Schweiz aus.»

 

Yanik Kipfer, Stellenmarkt-Monitor Schweiz

Exkurs: Anteil Beschäftigte in den Berufsgruppen

 

 

Die nachfolgende Tabelle stellt die Verteilung der Beschäftigten in der Schweiz nach den Berufsgruppen dar. Sie soll einen Einblick in die Grössenordnung der Berufsgruppen in der Schweiz geben. Die Daten stammen vom Bundesamt für Statistik und beziehen sich auf das Jahr 2021.

 Berufsgruppe Total (in 1000)   Anteil
Fachkräfte Büro  570   12% 
Hochschulberufe Soziales   489  12%
Führungskräfte  457  11%
Fachkräfte Montage, Landwirtschaft und Hilfskräfte   436  10%
Fachkräfte persönliche Dienstleistungen  435  10%
Fachkräfte Gastronomie und Verkauf   298  7%
Fachkräfte KV, Verwaltung und Handel  281  7%
FachkräfteBau und Ausbau  221  5%
Fachkräfte Technik  216  5%
Hochschulberufe Gesundheit  210  5%
Fachkräfte Handwerk und Industrie  208  5%
Hochschulberufe Wirtschaft  177  4%
Hochschulberufe Informatik  148  4%
Hochschulberufe Naturwissenschaften  140  3%

Quelle: Bundesamt für Statistik 2021

Medienmitteilung